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Fränkische Landeszeitung, 5.10.2021. By Jens Plackner
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Taschentuch im Schwarzwald
28.04.20 Schwarzwälder Bote: Das Niesen fließt in ihre Musik ein (“The sneezing flows into her music” – I admit its hard to translate). By Niklas Käfer
Kultur: Audiokünstlerin knüpft an hiesige Phonoindustrie an
Beim Verein Global Forest liegt die räumlich zugängliche Kunst brach. Auch die Künstlerresidenten bleiben vorerst fern. Dafür gibt es einen Eindruck aktuellen Schaffens im Schau- und Hörfenster durch die Soundartistin Gabi Schaffner.
St. Georgen. Jessica Twitchell von “Global Forest” gibt zu: “Wir leben von Veranstaltungen.” Digitale Wege, um Kunst zu präsentieren, ist eine Möglichkeit, aber “es geht um das Zusammenkommen, Interessen teilen und sich dabei austauschen”. Eine nüchterne Erkenntnis in dieser Zeit.
Das Ministerium für Bildung und Kultur macht die Vorgabe, Veranstaltungen bis Mitte Juni vorläufig zu unterbinden. Doch es gibt Lichtblicke am Kulturhimmel, zum Beispiel durch die Audiokünstlerin Gabi Schaffner, die vor einiger Zeit in St. Georgen zu Gast war.
Schaffner ist zwar schon wieder abgereist, kommt aber bald wieder in die Bergstadt, um ihr Klangwerk – der Pandemie zum Trotz – zu präsentieren.
Die Klangkünstlerin, die drei Monate als Residentin bei “Global Forest” zu Gast gewesen ist, widmete sich in dieser Zeit einer ganz besonderen künstlerischen Aufgabe. Der Titel ihres neuen Werks lautet: “Pandemic New Music. Fazzoletto per un eternità.” Unverkennbar trifft sie mit ihrer pandemischen Musik den Kern der Zeit.
Kompositionen aus Nies- und Schnupfgeräuschen, Posaunen, Trompeten und weiteren Blasinstrumenten sind auf ihren Aufnahmen zu hören. Unweigerlich kommen beim Thema Pandemie und bei den aufgezeichneten Erkältungsgeräuschen Assoziationen zum Coronavirus auf – dabei ist die Geschichte eine etwas andere.
In Zusammenarbeit mit dem Posaunenchor und dem Deutschen Phonomuseum hat die Klangkünstlerin ihr neues Genre auf einer Schallplatte verewigt. Allzu viel will Schaffner über ihr Audiowerk aber gar nicht verraten. Der Zuhörer soll sich selbst ein Bild davon machen. Wer das will, geht vor das Künstlergebäude in die Friedrichstraße 5a und drückt den Knopf beim Schau- und Hörfenster.
So viel Hintergrund sei vorab schonmal verraten: Gabi Schaffner knüpft mit ihrem Werk an die frühe Musik des 20. Jahrhunderts an und lässt Geschichten im Kopf der Leser entstehen.
Die Protagonistin Mauricia Pucci wechselt ihre Identität
Die Protagonistin Mauricia Pucci wird 1899 im toskanischen Hinterland geboren. Sich sträubend, der Rolle der Frau zur damaligen Zeit zu entsprechen, wandert Pucci 1918 nach New York aus. Dort wechselt sie zu ihrer männlichen Identität Mauricio Farfalla Pucci. Mauricio geht in Übersee eine Liebesbeziehung zu einem Komponisten ein, der in Folge einer Influenza verstirbt. Daraufhin kehrt Pucci nach Italien zurück und gründet das “Orchestra di Starnuti”, zu Deutsch: das Nieskonzert.
Gegenüber dem Schwarzwälder Boten berichtet die Berliner Künstlerin über den Anknüpfungspunkt zur St. Georgener Phonoindustrie, die für die Entstehung der Platte entscheidend war. Auch schildert sie die Begegnung mit dem Posaunenchor, wo sie sich selbst anfangs “außenstehend” wahrnahm, später aber gegenseitige Wertschätzung empfand. Und natürlich spielte für die Berlinerin auch die Natur im Schwarzwald eine Rolle, die ihr bei ihren “field recordings” sehr entgegen kam.
Künstler wie Gabi Schaffner suchen in der Residenz bei “Global Forest” kreativen Freiraum. Im Moment ist aber auch diese Möglichkeit sehr eingeschränkt. Eigentlich hätte man weitere Künstler erwartet, aus Deutschland, aber auch aus den Vereinigten Staaten, berichtet Jessica Twitchell.
Beim Kunstaustausch gibt es im Moment ganz praktische Grenzen. Aufgrund von Reisebeschränkungen müssen Künstlerin wie Rosemary Hall ihren Aufenthalt im St. Georgener Kunstzentrum erst einmal verschieben.
Doch alles wird nachgeholt. So auch der Auftritt von Gabi Schaffner vor Ort bei “Global Forest”. Ein Termin steht dafür zwar noch nicht fest, wird aber noch für dieses Jahr in Aussicht gestellt.
Hidden Places/Self-Made Life
by Rafik Will, 26.08.2016. Medienkorrespondenz; https://www.medienkorrespondenz.de/hoerfunk/artikel/gabi-schaffner-hidden-places-erzaehlte-landschaften-in-island-und-australien-klangkunststueck-deut.html
Gabi Schaffner: Hidden places. Erzählte Landschaften in Island und Australien. Klangkunststück (Deutschlandradio Kultur) // Gabi Schaffner: Selbst gemachtes Leben. Der Tapir im Birkenwald. Feature (Deutschlandfunk)
Mit dem Radio um die Welt
26.08.2016 • Im Oktober dieses Jahres wird in Halle an der Saale das internationale Festival „Radio Revolten“ stattfinden. Dieses Festival für Hörfunkkunst, das mit verschiedenen Veranstaltungen im gesamten Stadtgebiet aufwartet, wird von der Künstlerin Gabi Schaffner mit einem Blog begleitet. Die 1965 geborene Fotografin und Klangkünstlerin, die zwischen Berlin, Frankfurt am Main, Helsinki und Lobo (Texas/USA) ihr Leben verbringt, ist dem Medium Radio schon seit einiger Zeit eng verbunden. Ihr Wirken kommt sowohl in der freien Radio- und Hörspielszene zum Tragen als auch im öffentlich-rechtlichen Hörfunk. So ist beispielsweise ihr originelles, für HR 2 Kultur produziertes Stück „Otto Mötö. Im Universum finnischer Motorenmusik“ noch in bester Erinnerung (vgl. Kritik in FK-Heft Nr. 35/12).
Nun konnte man in diesem August gleich zwei aktuelle, in Eigenregie realisierte Arbeiten von Gabi Schaffner in den Programmen des Deutschlandradios hören. Auf Deutschlandradio Kultur wurde am 5. August das Klangkunststück „Hidden places. Erzählte Landschaften in Island und Australien“ urgesendet. Eine Woche später folgte beim Schwestersender Deutschlandfunk ihr neues Feature „Selbst gemachtes Leben. Der Tapir im Birkenwald“.
In der Soundart-Kategorie bekam der Zuhörer mit „Hidden places“ die Möglichkeit, eine Art Klangreise anzutreten in die sehr unterschiedlichen Landschaften des australischen Kontinents mit seinen heißen Wüsten und der vereisten Insel Island mit ihren Schneewüsten. Die dem Stück zugrunde liegende Arbeitsweise sieht so aus: Wie in einer Pendelbewegung kommen die von Gabi Schaffner aufgesuchten Interviewpartner und die korrespondierenden Fieldrecordings zum Einsatz, Nord- und Südhalbkugel wechseln sich dabei ab. Anders als etwa in einem Feature sind die O-Töne dabei nicht von einer Übersetzung überlagert. Alle Personen sind mit ihrem stark von Dialekt bzw. Akzent geprägten Englisch zu vernehmen. Sie berichten von für sie magischen und oft versteckten Orten, von Eishöhlen, in denen Elfen den Winter verschlafen und von angsteinflößenden schneeverdeckten Felsspalten – oder eben von heiligen Plätzen der australischen Ureinwohner und den geheimen verführerischen Stränden begeisterter Wellenreiter.
Über diesen Kniff gelingt es Schaffner, ohne unmittelbare Ortsangabe aus dem Off den jeweils gegenwärtigen ‘Schauplatz‘ des Geschehens zu offenbaren. Eine wesentliche Rolle spielen bei der Orientierung des Hörers natürlich auch die Feldaufnahmen: Die exotischen Vogelrufe platziert man in Australien, das Knirschen von Schnee unter Wanderschuhen wird in die Schublade Island eingeordnet. Das eigentliche Kuriosum ist aber, dass sich nach und nach die eindeutig scheinenden Zuschreibungen, was Sprachfärbung und Bioakustik angeht, in den Hintergrund schieben und Platz machen für neuartige Geräuschassoziationen – sehr meditativ. Wenn man das Skript mitliest, das im Internet auf der Seite von Deutschlandradio Kultur zu der Sendung verfügbar ist und auch die Übersetzungen beinhaltet, dann kommt zugleich der informative Charakter des Stücks voll zum Tragen.
In ihrem Feature „Selbst gemachtes Leben“ versorgt Gabi Schaffner den Zuhörer mit geballten Informationen über die Szene der Außenseiterkünstler in Finnland. Anlass für diese Arbeit war der Tod des finnischen Künstlers Erkki Pirtola Anfang dieses Jahres. Er gilt als Begründer der Bewegung „Itse Tehti Eläm“ (ITE), was so viel bedeutet wie „selbst gemachtes Leben“ und also der Titel des Stücks wurde. In dem Feature präsentiert Schaffner ihre Aufnahmen von einer gemeinsamen Reise mit Pirtola, der für sein Werk 2011 den ‘Staatspreis der Bildenden Künste Finnland’ erhielt. Das klingt zwar auf Anhieb etwas etabliert, aber im Zentrum der vor bald einem halben Jahrhundert ins Leben gerufenen ITE-Kunst steht der Punk-Spirit des „Do it yourself“. Stationen des Features sind meist abgelegene Höfe, auf denen eigenbrötlerische bis einsiedlerische ehemalige Bauern ihre fernab vom Kunstbetrieb erarbeiteten Konzepte umsetzen.
Hauptarbeitsfeld dieser schon recht betagten finnischen Außenseiterkünstler scheinen Skulpturen zu sein. Der im Untertitel erwähnte Tapir im Birkenwald etwa ist eine solche Skulptur, deren Hauptkörper aus alten Reifen besteht. Besonders radiophon sind naheliegenderweise die schrägen Gesänge, die die vorm Mikrofon versammelten ITE-Künstler zum Besten geben.
Wer von ITE vorher noch nichts gehört hat, beendet das Hören des Features mit dem Eindruck, dass es sich dabei um eine sympathische, freakige Umsetzung des Beuys-Postulats, jeder sei ein Künstler, handelt. Mit beiden Arbeiten gelingt es Gabi Schaffner, das Versprechen des Radios, die fremde Welt in das eigene Wohnzimmer zu holen, einzulösen. Diese besondere Begabung zur künstlerischen Fernreise scheint übrigens auch bei dem Wortspiel auf, das sie mit der Adresse ihrer Website treibt: schaffnerin.net.